Roseninsel, Untere Brücke                                                                           Kampagne 2012

Im April und Mai 2002 wurden an der Nordseite der Roseninsel Tauchuntersuchungen an der so genannten unteren Brücke durchgeführt. Eine zweite Anlage, die obere Brücke, führt vom Festland zur südwestlichen Inselspitze. Seit über 200 Jahren mutmaßt man über das Alter und die Funktion dieser Pfahlstellungen. Beide Brücken sollen der Sage nach im 30jährigen Krieg zerstört worden sein. Die früheste Erwähnung zweier Brücken zur Roseninsel (Wörth) stammt aus dem 16. Jahrhundert. Im Jahr 1545 erhält ein gewisser Jakob Rosenbusch die Insel Wörth als Ritterlehen samt dazugehörigem Fischwasser zwischen den zwei Brücken, welche vom Lande auf die Insel führen. Das Zitat aus der Urkunde ist dem Stammbuch von Possenhofen, der Insel Wörth und Garatshausen am Würmsee (1854) entnommen, in welchem Freiherr Karl von Leoprechting die Besitzfolge der Roseninsel ausführlich dargelegt hat. Leoprechting, der sich auf Abschriften alter Kaufbriefe stützt, zitiert aus einer weiteren Original-Handschrift, diesmal über einen Besitzerwechsel vom Ende des 17. Jahrhunderts, bei dem der Wert der Insel und des Fischwassers bemessen wird: "Fürs ander das Vischwasser zwischen beeden Brückhen, welches das Beste Stückh ist, unnd Jedes Jahr zum wenigisten von der Fischerey zu nutzen ist. 110. Fl".

 

Der Starnberger Landrichter Sigmund von Schab, der im Rahmen seiner archäologischen Ausgrabungen an der Roseninsel erstmals eine Vermessung der Brücken durchführte, gibt in seinem 1877 erschienenen Aufsatz "Die Pfahlbauten im Würmsee" weitere schriftliche Belege an, darunter eine Seeordnung von 1643. Ausserdem schreibt Schab, dass die Fischer an der unteren Brücke immer wieder Brückenpfähle abgestemmt hätten, da sie die Schifffahrt behinderten. Die obere Brücke gehöre, so Schab, sicher nicht der vorhistorischen Zeit an, die untere Brücke vielleicht.

 

Die taucharchäologische Kampagne 2002 verfolgte zwei Ziele:

1. Die vollständige Dokumentation der oberflächenlichsichtbaren Hölzer.

2. Die Entnahme von Proben zur Datierung der Anlage.

 

Zunächst wurden die Pfähle (301 Stück, Eichen, Tannen, Fischten) und liegende Hölzer (102 Stück) nummeriert, detailliert vermessen und beschrieben. Die Einmessung der kompletten Pfahlstellung erfolgte durch die Münchner Grabungsfirma ARDI GbR mittels Totalstation. Von 15 Eichenpfählen wurden Bohrkerne entnommen, aus denen sich eine 64jährige Mittelkurve erstellen ließ. Die Jahrringanalyse im Dendrolabor des BLfD, Thierhaupten, ergab eine Datierung um das Jahr 1340 n. Chr. Das Ergebnis korrespondiert mit dem Befund einer Sondagegrabung des Denkmalamtes auf der Roseninsel im Jahre 1997.

 

Der Befund an der unteren Brücke stellt sich nach visueller Vor-Ort-Analyse und der Interpretation des Pfahlplans folgendermaßen dar: vom Nordufer der Roseninsel erstreckt sich eine bewuchsfreie Untiefe rund 400 m zungenartig nach Norden. Auf ihr verläuft die untere Brücke etwa 250 m in Richtung Nordnordwest. Sie endet an einer steilen Hangkante, an welcher der Seegrund von 2 m auf über 7 m abfällt und zwischen Untiefe und Festland einen Kanal bildet, der durch glaziales Geschiebe entstanden sein dürfte. Der Erhaltungszustand der Pfähle ist sehr unterschiedlich. Im Flachwasserbereich (Wassertiefe ca. 0,8 m) sind sie bis auf einige Ausnahmen aufgrund des Wellenschlags bis auf das Seegrundniveau aberodiert. Im tieferen Bereich (ca. 18 m) sind sie besser erhalten, teilweise bis auf eine Länge von 40 cm. Die Pfahlreihe unterteilt sich in zwei Abschnitte. Auf der ersten 50 m vom Inselufer aus nordwärts ist sie durch relativ schmale und mehr oder weniger regelmäßige Pfahlsetzungen gekennzeichnet. Man erkennt hier eine klare Doppelreihe. Auf diesen Bereich konzentrieren sich zudem die liegenden Hölzer und die dickeren Hartholzpfosten. Bei diesem Abschnitt dürfte es sich tatsächlich um eine Steg- oder Brückenkonstruktion gehandelt haben. Etwa 50 m vom Inselufer entfernt beginnen die ersten Pfahlgruppen. Meist handelt es sich um Pfosten mit einem Durchmesser zwischen 15 und 20 cm, die in Gruppen von zwei bis vier beieinander stehen. Einzelne Pfosten gibt es nach wie vor. Nach Norden hin wird das Bild immer diffuser. Die Pfähle stehen unregelmäßiger und sind insgesamt dünner. Manche haben nur noch einen Durchmesser von 5 cm und bestehen aus Weichholz. Kleinere Hölzer, die am Nordende westlich der unteren Brücke liegen, dürften nicht mehr unmittelbar zur Anlage gehören.

 

Auffallend ist die starke Verkippung der Pfähle. Es herrscht aber keine einheitliche Richtung vor, wobei Nordsüd mit 72 Prozent dominiert. Auch sind die Pfähle einer Gruppe niemals in dieselbe Richtung verkippt. Zum Teil überkreuzen sie sich sogar. Es konnte nicht geklärt werden, ob sie absichtlich verkippt wurden oder ob ihre Schrägstellung beispielsweise aufgrund von Eisaktivität oder gescheiterten Versuchen, die Pfähle zu ziehen, zu Stande kam.

 

Bei den liegenden Hölzern wurde beobachtet, dass im schmalen Abschnitt der unteren Brücke gelegentlich bis zu vier gesägte Planken senkrecht nebeneinander in den Seegrund eingerammt wurden. Diese Konstruktionen liegen meist in der Mitte der Doppelreihe und sind, wie die Brücke , nordsüdlich ausgerichtet. Ihre Länge beträgt maximal 4 m. Eine Datierung sowie eine Zuordnung zu möglichen Brückenaufbauten wie Bohlenbelag oder Geländer war nicht möglich. Aufschlüsse hierzu könnte eine Bergung der Hölzer bringen.

 

Eigentümlich mutet die Streckenführung der unteren Brücke an. Warum wählte man nicht die kürzeste Entfernung zwischen Insel und Festland? Der Anfangspunkt auf der Insel dürfte in Beziehung zur Inselkirche stehen. Die nachweisbare Pfahlstellung endet an der nördlichen Hangkante zum Kanal. Ist es möglich, dass die Pfahlreihe einst bis zum Festland reichte und sämtliche Pfähle im tiefen Wasser, beispielsweise wegen der Dampfschifffahrt, gezogen wurden? Oder standen den Brückenbauern im 14. Jahrhundert keine Pfähle in der erforderlichen Länge (mindestens 10 m) zur Verfügung, so dass man sich zur Überbrückung des tieferen Gewässerabschnitts mit einer Bootsbrücke behalf? Auch in der Verlängerung zum Ufer hin fanden sich im Flachwasserbereich keine entsprechenden Pfähle. Der Verlauf der Brücke, die dünnen Pfähle am nördlichen Ende der Anlage und die teilweise artifiziell anmutende Verkippung lassen an der Interpretation als Brücke Zweifel aufkommen, doch fehlen sichere Anhaltspunkte für eine Deutung als Sperrwerk oder andere Wasserbauten. Außerdem sprechen die schriftlichen Quellen ausdrücklich von einer Brücke.

 

Ohne Zweifel ist die Anlage mit der Inselkirche und dem christlichen Bestattungsplatz auf der Insel in Beziehung zu stellen. Lorenz von Westenrieder, der die Pfähle mit eigenen Augen durchs Wasser schimmern sah, bemerkt in seiner 1784 erschienenen Beschreibung des Starnberger Sees, dass "ungewissen Erzählungen zufolge eine berühmte Wallfahrt zu den Kirchlein gewesen sei. Die romantische Lage der Insel, und, ich möchte hinzusezen, die Schwierigkeit, dahin zu kommen, begünstigen eine oder die andere dieser Nachrichten, deren Gewißheit in irgend einem Aktenstoß faulet, allerdings, und daß man es für nöthig hielt, zwo so ungeheure lange Brücken zu bauen, beweiset, daß viel Volk dahin gekommen seyn müsse."

 

Die Untersuchung und Datierung der unteren Brücke ist als kleiner Beitrag zur Enträtselung der Geschichte der Roseninsel zu verstehen. Bis vor wenigen Jahren waren dort Befunde aus dem Mittelalter kaum fassbar. Im kommenden Jahr soll geklärt werden, ob die zweite Brücke (obere Brücke), deren Konstruktion und Ausmaße weitaus komplexer sind, ebenfalls dieser Epoche angehört.

 

 

Armin May, Marcus Thier, Marcus Prell