2005 führte die Bayerische Gesellschaft für Unterwasserarchäologie e. V. (BGfU) Oberflächenaufnahmen im Flachwasserbereich vor der Nordostspitze der Roseninsel im Starnberger See durch. Ausgehend von der heutigen Uferlinie, wurde ein 5 m breiter und 15 m langer Streifen in west-östlicher Richtung dokumentiert. Ergänzend dazu fand ein Bohrprogramm statt. Dabei fungierte die nördliche Längsseite des Untersuchungsareals als Grundlinie. Der seeseitigste Bohrpunkt lag 40 m vom Ostufer entfernt. Bereits im Herbst 2002 hatte man die Gewässer vor der Nordostspitze der Roseninsel eingehender prospektiert. Ausgelöst wurden diese Aktivitäten durch die Freispülung ehemals zusedimentierter Bauhölzer. Neben verschiedenen Palisaden- und Pfostenreihen zeigten sich ausgedehnte Konzentrationen liegender Hölzer mit deutlichen Bearbeitungsspuren. Eines dieser Konstruktionshölzer wurde im Leibniz Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel auf seinen Radiokarbongehalt
hin analysiert (KIA 25556). Es ergab sich ein 14C-Datum von 2308/23 BP. Dies entspricht einem kalendarischen Alter von cal BC 392. Eine derartige Datierung überraschte außerordentlich, da Siedlungsbefunde an Unterwasserfundstätten für die jüngere Eisenzeit in Mitteleuropa nahezu unbekannt sind. Zu den seltenen Ausnahmen von dieser Regel zählt der spätbronzezeitliche Fundort Le Saut am Lac de Bourget, Savoie. Dort erbrachten Ausgrabungen der Jahre 2002 bis 2004 den Nachweis eines zweischiffigen Pfahlbaus aus der frühen La-Tène-Zeit. Unglücklicherweise werden die archäologischen Hinterlassenschaften an der Roseninsel in erheblichem Maße von Erosion bedroht. Der Brandung bietet sich insbesondere vor der seezugewandten Nordostspitze eine exponierte Angriffsfläche.
Angesichts der enormen Relevanz der Befunde und eines zu befürchtenden archäologischen Substanzverlustes kam es schließlich zur Wiederaufnahme der taucharchäologischen Untersuchungen vor Ort. Die Oberflächenaufnahmen und Bohrungen zeigten, dass man in Ufernähe eine bis zu 40 cm mächtige Kulturschicht mit geringem Sandanteil verfolgen konnte. Sie verbarg sich unter dem rezenten Schlick und bestand hauptsächlich aus organischem Material, dem gelegentlich Holzkohle beigemengt war. Eingebettet in diesen Horizont entdeckte man zuweilen Knochen und Keramikscherben. Zum See hin dünnte die Kulturschicht immer weiter aus, während Sand und Muschelbruch kontinuierlich zunahmen. Am östlichen Ende des untersuchten Sektors ließ sie sich kaum noch verfolgen. Getrennt durch eine dünne Lage steriler Seekreide schloss sich der ersten Kulturschicht ein weiterer Horizont mit organischen Bestandteilen an. Holzkohlestückchen aus verschiedenen Bohrproben belegen den anthropogenen Ursprung dieser Schicht. Ebenfalls von Sand durchsetzt, wurde ihr Erscheinungsbild mit zunehmender Entfernung zum Ostufer jedoch immer homogener. Der Detritusanteil erhöhte sich merklich. Die variierenden Sandbeimengungen der einzelnen Horizonte müssen vermutlich auf aquatische Einflüsse bei der Schichtbildung zurückgeführt werden. Offensichtlich markierten sie Brandungs- oder Uferzonen im Flachwasser. Auf die zweite, durchschnittlich 20 cm mächtige Kulturschicht folgte eine neuerliche Seekreidelage, die mit zunehmender Bohrtiefe in eine organisch gebänderte Seekreideschicht überging. Beide Horizonte wurden stellenweise durch schmale Sandbänder unterbrochen. Unterhalb der gebänderten Seekreide stand der glaziale Ton an.
Das Fundgut der Kampagne präsentierte sich als typisches Siedlungsmaterial. Es setzte sich in der Regel aus vorgeschichtlicher, handgemachter Gebrauchskeramik und Knochen domestizierter Nutztiere wie Rind, Pferd und Schwein zusammen. Mangels typologisch aussagekräftiger Stücke ist die chronologische Einordnung der Funde jedoch problematisch. Das Gros der Objekte wurde in unmittelbarer Nähe des Spülsaums aufgelesen. Es handelte sich um stark verrolltes Material, das dem rezenten Oberflächensediment entstammte. Vermutlich wurden die Stücke durch die Brandung verlagert und im Uferbereich angespült. Der erosionsbedingte Abtrag undokumentierter Kulturschichten dürfte hierfür verantwortlich zeichnen. In direkter Ufernähe konnten drei verschiedene Pfostenreihen in Ausschnitten verfolgt werden. Sie verliefen allesamt von Südosten gen Nordwesten. Zwei der Reihen besaßen eine parallele Ausrichtung und identische Pfostenabstände. Obwohl aus Tannenholz gefertigt, wiesen die Pfosten nur geringe Erosionsspuren auf. Gelegentlich konnten dünne Pfahlverzüge in Form schwacher Residuen beobachtet werden. Sie belegen, dass die Weichholzpfosten erst unbestimmte Zeit nach der Bildung der Kulturschicht in den Seegrund eingeschlagen wurden. Langrechteckige Einkerbungen an den Schmalseiten verschiedener Pfosten lassen an Aussparungen zur Aufnahme senkrechter Bretterlagen denken. Womöglich begegnet man hier den Überresten einer Spundwand. Vergleichbare Pfosten finden sich rund um die Insel. Offensichtlich bildeten die beiden Pfahlreihen aus Weichholz ein bauliches Ensemble. Aufgrund der geringen Erosion des empfindlichen Holzes ist wohl von einer neuzeitlichen Datierung der Pfostenreihen auszugehen. Die dritte, seeseitige Pfahlreihe bestand aus stark erodierten Spältlingen. Als Baumaterial diente Eichenholz. Unter Vorbehalt konnte einer dieser Pfähle mit einem Dendrodatum für das Jahr 1415 n. Chr. versehen werden.
In der Nordostecke des Untersuchungsareals wurden Ausläufer der erwähnten Holzkonzentrationen erfasst. Prospektionstauchgänge zeigten, dass sich diese liegenden Hölzer über eine Fläche von schätzungsweise 800 bis 900 m² in Richtung Nordenwesten, Norden und Nordosten erstrecken. Die untersuchten Hölzer bedeckte Oberflächenschlick. Da von Ausgrabungen abgesehen wurde, kann derzeit nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob die Konstruktionshölzer tatsächlich in die sandigen Reste der aufgeschlossenen Kulturschicht eingebettet sind oder diesen nur aufliegen. Sie könnten damit sowohl termini ad quem als auch termini ante quem für die absolutchronologische Ansprache dieser Schicht liefern. Zahlreiche Bauhölzer wiesen ähnliche Maße bezüglich der Breite (ca. 30 cm) und der Dicke (ca. 8 bis 10 cm) auf. Ihre Enden waren spitz oder plan ausgeführt. Darüber hinaus besaßen sie oftmals rechteckige Aussparungen oder muldige Vertiefungen, die zur Aufnahme von Ständerbauten bzw. als Widerlager von Schwellbalkenkonstruktionen gedient haben mögen. Vermutlich stellen einige der liegenden Hölzer Bauelemente von Blockbauten dar. Gelegentlich konnten sogar flächige Bretterlagen ausgemacht werden, die an regelrechte Holzfußböden erinnerten. Eine Beprobung zweier Konstruktionshölzer in einer AMS-Anlage des Leibniz Labors in Kiel erbrachte kalibrierte 14C-Daten zwischen 2433/24 BP (KIA 27433) und 2366/23 BP (KIA 27434), das heißt für die späte Hallstatt- und die frühe Latène-Zeit. Dieser Umstand ist für Seeufersiedlungen des circumalpinen Raumes nahezu ohne Vergleichsbeispiel. In den kommenden Jahren werden die Arbeiten an der Nordostspitze der Roseninsel daher fortgesetzt. Es steht zu hoffen, das dieser einzigartige Fundort dann weitere Einblicke in seine Geschichte gewährt.
Ulrich Schlitzer und Tobias Pflederer