Urfahrn und Herrenchiemsee

Kurz nach der krautinsel-Kampagne erfolgte vom 7. bis 14. April 2001 mit einer sechsköpfigen Mannschaft eine zweite Untersuchung im Chiemsee. Im Jahre 1976 waren auf dem unterseeischen Höhenrücken vor der Halbinsel Urfahrn nördlich gegenüber der Herreninsel mehrere Pfahlgruppen entdeckt worden, und Gerüchte über eine Seeuferrandsiedlung und eine Brücke zur rund 500 m entfernten Herreninsel kursierten. Auf dem Seegrund an der Nordspitze der Herrreninsel hatte bereits Carl Theodor von Siebold bei seinen bayernweiten Pfahlbauforschungen im Jahre 1864 eine Gruppe von uralten Pfählen ausgemacht, die der Reiseschriftsteller Heinrich Noë kurz darauf als Reste einer Schiffhütte jüngeren Datums deutete.

 

Die Tauchprospektionen vor Urfahrn wurden vom Boot aus in Zweier-Gruppen durchgeführt, welche den 2-4 m tiefen Grund weitflächig absuchten. Dabei stieß man an vier Stellen auf größere Gruppierungen von etwa 7 cm dünnen Fichtenstangen, die in verschiedene Richtungen verkippt bis zu 70 cm aus dem Sediment ragten. Eine der Stangen lag unversehrt im Oberflächensediment. Sie misst eine Gesamtlänge knapp 4 m. Bei den Stangenwäldern dürfte es sich um die Reste ehemaliger, maximal einige Jahrhunderte alter Fischereianlagen handeln, die als Fischbaitzen oder Däsen bekannt sind und zur Reusenbefestigung oder als künstlicher Laich- und Schonplatz am ansonsten wenig Versteck bietenden Seeboden dienten. Eine Dendrodatierung der Hölzer war aufgrund der wenigen Jahrringe nicht möglich. Ebensowenig bei einem zweiten Typ. Diese Pfähle - insgesamt wurden 23 gezählt - sind mit einem max. Durchmesser von 20 cm deutlich massiver als die Stangen und aus Eichen- bzw. Ulmenholz. Sie beginnen in etwa 35 m vom Ufer entfernt und verteilen sich ohne interpretierbares Schema in Richtung Herreninsel. Der äußerste Pfahl stand rund 100 m vom Ufer entfernt. Eindeutige Hinweise auf eine Brückenanlage blieben aus. Vielleicht stehen die Pfähle mit ehemaligen Landungsstegen in Zusammenhang. Zwischen Urfahrn und der Herreninsel, die von 1125 bis 1803 zusammen die geschlossene Hofmark eines Augustinerchorherrenstifts bildeten, bestand bis ins 19. Jh. die wichtigste, weil kürzeste Verbindung zwischen Festland und Insel. Im Namen Urfahrn ist diese Stelle der Überfahrt bis heute überliefert. Vorwiegend aus dem Bereich der Stangen und Pfähle wurden über 50 Funde aufgelesen, bei denen es sich größtenteils um Scherben von im See entsorgter Hafnerkeramik aus dem 19. und 20. Jh. handelt.

 

Bemerksenswert sind acht verstreut aufgefundene tönerne Netzsenker (Dm. ca 9 cm), die auf die Zugnetzfischerei (Segen) hindeuten. Diese Fangtechnik hat am Chiemsee eine jahrhundertealte Tradition. Nach Auskunft der örtlichen Fischer waren Tonscheiben dieses Typus bis nach dem Ersten Weltkrieg in Gebrauch.

 

 

Marcus Prell