Seit 2015 und mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft untersucht das Institut für Klassische Archäologie der LMU München unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Ritter und in Zusammenarbeit mit dem Institut National du Patrimoine Tunis (Dr. Sami Ben Tahar) die antike Stadt Meninx auf der Insel Djerba, die dem Eiland bis in die Spätantike auch ihren Namen gab. Ihre wirtschaftliche Bedeutung verdankte Meninx vor allem der Purpur-Gewinnung, die sie zu einem der wichtigsten Zentren in diesem Wirtschaftszweig aufsteigen ließ. Bereits im ersten und zweiten Punischen Krieg versuchten die Römer, die Stadt zu erobern. Ihre wirtschaftliche Blütezeit schien sie als römische Hafenmetropole im 2. und 3. Jh. n. Chr. erlangt zu haben. Besonders erwähnenswert ist die verkehrsgeographische Lage der Stätte, die bereits auf dem Satellitenbild deutlich wird. Am Südufer Djerbas gelegen befindet sie sich vor Wind und Wellenschlag geschützt an einer lagunenartigen Gewässerfläche, die vom Mittelmeer im Osten durch breitere Sandbänke abgetrennt ist. Die Lagune kann über zwei größere Unterwasserkanäle mit ausreichend Tiefgang erreicht werden, von denen der größere im Norden einen Seitenkanal direkt vor die antike Stätte in uferparalleler Ausrichtung führt. Außerdem soll Meninx bereits zu antiker Zeit durch einen künstlichen Damm mit dem nordafrikanischen Festland verbunden gewesen sein. Der antike Damm wird unter dem heutigen vermutet, der nach wie vor die Insel Djerba mit der tunesischen Küste verbindet.
In seinem Buch „Digging for lost African gods“ schreibt der amerikanische Abenteurer Byron Kuhn de Prook im Jahr 1926: „Two hundred and sixty ship loads of the riches of Phoenicia lie off the
coast of Djerba. Archaeologists are neither fugitives nor necessarily adventurers, they may have little in common with Ullysses, but it is as difficult for me to leave Djerba as it was for the
hero of Homer‘s tale. No one offered me the tempting flower, but Djerba offers a field almost unknown, and the sea round about offered more“. Vor diesem spannenden Hintergrund bekamen Max
Fiederling M.A., Maximilian Ahl B.A., Michael Heinzlmeier M.A. und Dr. Tobias Pflederer von der BGfU die Gelegenheit, sich auf die Suche nach dem antiken Hafen von Meninx zu begeben, der bislang
nicht lokalisiert ist. Begleitet wurden sie von Mladen Pešić dipl. arheolog. vom Internationalen Zentrum für Unterwasserarchäologie aus Zadar (Kroatien) während einer einwöchigen Kampagne im
September 2017. Im Gegensatz zu so manch anderen Auslandsprojekten der BGfU konnte man vor Ort auf eine gute taucherische Infrastruktur und die tatkräftige Unterstützung durch den örtlichen
Tauchclub Tipaza aus Ajim zurückgreifen (vor allem Abdallah Mateur und Hamza Ahmed sei auf diesem Weg für ihre unermüdliche Mithilfe gedankt).
Zunächst erfolgten Fahrten mit dem Sidescansonar ab dem Ufer von Meninx bis zum uferparallel verlaufenden kleinen Unterwasserkanal, um ein Höhenmodell und -relief des Seebodens gewinnen zu
können. Die bathymetrischen Unterwasserdaten knüpften direkt an die mit dem Magnetometer gewonnenen Landdaten an, die bereits im Vorfeld von der geophysikalischen Abteilung des Bayerischen
Landesamtes für Denkmalpflege erhoben worden waren. In 5 Tagen konnte die gesamte, ca. 0,7 Quadratkilometer große Flachwasserzone vor der antiken Stadtfläche befahren und eine baythmetrische
Karte erstellt werden. Zusätzlich prospektierten Taucher die Flachwasserzone.
Am Küstenstreifen wurden sämtliche sichtbare Mauerzüge und andere Anomalien per Hand-GPS eingemessen und in ein Kartensystem überführt. Des Weiteren wurden 40 Bohrkerne in einer Tiefe von bis zu 2 m und in einem 150- bis 100-Meter-Abstandsraster von der Küste aus gezogen, um die geomorphologische Situation des Litorals zu entschlüsseln und weitere Aussagen zu einer möglichen Hafensituation treffen zu können. Im direkten Vorfeld der antiken Stadtfläche zeigt die erstellte baythmetrische Karte, dass es sich heute um eine große, recht einheitlich stark von Posidonia fibris bewachsene Fläche handelt, die eine Auflagenstärke von bis zu 1,35 m aufweist und sich in einer Wassertiefe von maximal 1,2 m (je nach Tidenverhalten) bis zu dem kleinen, ca. 350 – 450 m von der Küste entfernten und küstenparallel verlaufenden Unterwasserkanal ausdehnt. Der kleine Unterwasserkanal weist eine Tiefe von bis zu 6 m sowie eine Breite von bis zu 50 m auf und besitzt damit die Voraussetzungen zur Befahrung auch von größeren antiken Transportschiffen. Unmittelbar an der Küste ließ sich in den Sedimentbohrungen direkt unter dem Oberflächenschlick eine starke Schuttschicht mit großem Anteil von Keramikfragmenten erfassen, wohingegen ab einer Entfernung von ca. 20 m von der heutigen Küste bereits das feste Sediment endet und – wie bereits beschrieben – durch eine ca. 1,35 m starke Sedimentschicht aus dunkelgrauem Meersand ersetzt wird, die auf ein zumindest saisonal begrenztes, bewachsenes Litoral hinweist. Unterhalb dieser Schicht folgt ab einer Entfernung von ca. 70 – 80 m zur heutigen Küste eine weitere Schichtung von hellerem und sterilerem Meersand, welcher wiederum auf das Fehlen jeglichen Bewuchses durch Seegras und damit auf eine größere Wassertiefe zum Zeitpunkt des Sedimentniederschlages hinweist. Am Übergang dieser beiden Schichten – in einer Sedimenttiefe von ca. 1,35 m – ließen sich nicht nur Keramikfragmente, sondern auch Holzreste in mehreren Bohrkernen nachweisen sowie vermutlich ein Brandhorizont.
Bei der Sidescan-Prospektion sowie der anschließenden Betauchung des kleinen und uferparallel verlaufenden Unterwasserkanals zeigte sich eine große Menge Fundmaterial, hauptsächlich spätrömischer Datierung. Hinzu kommt die Entdeckung mehrerer, gleichmäßig bearbeiteter Kalksteinblöcke und eines Pfahlrestes am Nordwestrand – also dem der Küste zugewandten – Rand des Unterwasserkanals sowie dort auch ein größerer Stein mit runder Aussparung, der als möglicher Schiffsanleger interpretiert werden könnte.
In Zusammenschau einer älteren (antiken?), tieferen Gewässerzone ab einer Entfernung von ca. 70 – 80 m zum heutigen Küstenverlauf – postuliert durch das hellere Meersand-Sediment – sowie durch die Anzeiger einer antiken Schifffahrtslinie im uferparallelen kleinen Unterwasserkanal lässt sich somit eine vage Arbeitshypothese zur antiken Schifffahrt vor der Stadt Meninx aufstellen: Der direkte Küstenabschnitt der Stadt scheint nicht mit einer Hafenanlage bebaut gewesen zu sein. Vielmehr ist mit weiterer städtischer Bebauung innerhalb eines schmalen Streifens an der Küste zu rechnen. Unter Berücksichtigung der Bohrergebnisse und der Bathymetrie scheint es möglich, dass sich an die ufernahe Stadtzone eine saisonal trockengefallene und leicht mit Vegetation bewachsene Fläche von ca. 70 m Breite anschloss, an die wiederum eine größere (ca. 280 – 380 m Breite) Flachwasserzone ohne Bewuchs folgte, die sich bis an den kleinen Unterwasserkanal ausdehnte, der wiederum als antiker Schifffahrtsweg genutzt werden konnte. Denkbar ist, dass auf der postulierten Flachwasserzone Pieranlagen oder steinerne Hafenkonstruktionen errichtet wurden, über die man „trockenen Fußes“ zum kleinen Unterwasserkanal gelangen konnte. Die entdeckten Konstruktionselemente (Steinquader) möglicher Schiffsanleger lassen zudem die vage Hypothese zu, dass man dort mit Plattformen oder Anlegern rechnen kann, auf denen wiederum die Ladung der über den kleinen Unterwasserkanal ankommenden Schiffe angenommen und umgeladen werden konnten. Anzumerken bleibt, dass alle gemachten Hypothesen im Rahmen einer nächsten Kampagne überprüft werden müssen. Die geschilderte Stratigraphie und auch die dokumentierten Holzreste in den Bohrkernen sind bislang nicht zeitlich eingeordnet. Auch das Fundmaterial im besagten Kanal mit einer vorwiegend spätrömischen Datierung lässt noch keine verlässliche Datierung dieses postulierten Schifffahrtsweges zu (evtl. nur Verlustmaterial?). Daher sollten in der nächsten Kampagne an neuralgischer Position – z. B. am küstennahen Rand des Kanals – unterwasserarchäologische Schichtaufschlüsse und Grabungen erfolgen, die durch Sedimentbohrungen ergänzt werden sollten. Die spannenden Arbeiten werden 2018 fortgesetzt werden.
Tobias Pflederer, Max Fiederling